Der Digitale Euro

Innovatives Zahlungsmittel oder Bedrohung der Freiheit?

(Arbeitskreis Krypto-Schreiber: Jürgen Brandner, Hinrich Gruss, Stefanie Philipp, Gerald Wiesner)


Die Europäische Zentralbank (EZB) arbeitet an der Einführung eines Digitalen Euro1 ab dem Jahr 2025. Dieses digitale Geld soll Kosten im Zahlungsverkehr reduzieren, Finanzinnovationen ermöglichen und die geldpolitische Handlungsfähigkeit der EZB sichern. Neben diesen positiven Aspekten hat digitales Geld das Potential, Bargeld zu ersetzen, den Geldfluss zu überwachen und zu kontrollieren. Eine solche Einschränkung der Freiheit lehnt die Atlas Initiative ab. 

Dieser Artikel beleuchtet wichtige Details zum Digitalen Euro. 



Die aktuelle Situation


Der Euro ist das gesetzliche Zahlungsmittel in der EU. 59% aller Bezahlvorgänge werden mit Bargeld (Euro-Scheinen und Euro-Münzen) erledigt2. Der Rest der Zahlungen erfolgt mittels Giralgeld (Zahlung per EC-Karte, Kredit-Karte, Überweisung, Lastschrifteinzug, etc.).


                    

Was ist ein Digitaler Euro?


Im Folgenden skizzieren wir kurz die bestehenden Geldarten, Bargeld und Giralgeld, um die Besonderheit des Digitalen Euro darzustellen.


Mittels Bargeld erfolgt eine Zahlung unmittelbar und anonym. Kein Dritter ist nötig, um eine Zahlung abzuwickeln. Nachteile des Bargelds sind, dass es räumliche Nähe von Käufer und Verkäufer erfordert, der Umgang mit großen Beträge ist umständlich und Diebstahl einfach.  


Heutzutage ist der Einsatz von Giralgeld in vielen Situationen praktischer als die Verwendung von Bargeld. Giralgeld ermöglicht Zahlungen ohne räumliche Nähe von Käufer und Verkäufer  und es erschwert Diebstahl. Weltweit akzeptierte Kredit- und EC-Karten machen Bargeld in Fremdwährungen oder Münzkleingeld meist obsolet und Innovationen privater Konzerne wie „ApplePay“ ermöglichen gar Zahlungen per Handy. Der Anteil von Giralgeld bei Bezahlvorgängen stieg daher von 28% auf 41%3.

Giralgeld löst viele Probleme beim Zahlungsverkehr, hat aber auch Nachteile bei den Kosten und der Geschwindigkeit der Abwicklung. Mit 0,33€ bei EC-Kartenzahlungen und ca. 1€ bei Kreditkartenzahlungen sind die Kosten deutlich höher als bei Bar-Transaktionen. Auslandsüberweisungen sind noch teurer. Zudem sind Transaktionen mit Giralgeld langsam: Meist vergeht ein Tag bis zur Gutschrift, im internationalen Zahlungsverkehr sogar mehrere Tage4.

Auch ist Giralgeld nicht vollkommen sicher: Die besondere Beschaffenheit von Giralgeld ist, dass es nur als Bucheintrag bei der Bank existiert, d.h. der Betrag auf dem Girokonto repräsentiert eine Forderung gegenüber der Bank, der Kontoinhaber leiht also der Bank sein Geld. Bei Zahlungen werden die Bucheinträge der beteiligten Kundenkonten angepasst. Solange nicht alle Kunden gleichzeitig ihr Geld abheben wollen, funktioniert dieses Giralgeldmodell hervorragend. Tun sie es dennoch (Stichwort „Bank run“), könnte die Bank in Zahlungsschwierigkeiten geraten und insolvent werden. Die verbleibenden Forderungen auf den Kundenkonten werden dann Bestandteil der Insolvenzmasse der Bank und sind für den Kunden meist verloren.5


Der Digitale Euro wäre eine dritte Art Geld. Während Giralgeld „Decentral Bank Digital Currency“ ist der Digitale Euro „CentralBank Digital Currency“ (CBDC). Er soll die Vorteile des Bargeldes mit den Vorteilen des Giralgeldes verbinden: Bezahlen soll schnell und kostengünstig werden, ohne das Risiko einer Bankinsolvenz, denn der Kunde hätte sein Konto direkt bei der Europäischen Zentralbank. Er würde sein Geld nicht einer Privatbank leihen sondern er hätte eine direkte Forderung gegen eine öffentliche Institution – so wie es heute der Fall beim Bargeld ist.  


Bezüglich der konkreten Ausgestaltung des Digitalen Euros sind noch viele Fragen offen. Die Aufgabenverteilung zwischen EZB und Geschäftsbanken ist ebenso ungeklärt wie die technische Umsetzung. Eine der wichtigsten Fragen beim Digitalen Euro ist dessen Programmierbarkeit. Programmierbares Geld könnte z.B. ein Verfallsdatum haben, oder es könnte  in seiner Verwendbarkeit eingeschränkt werden. Vieles deutet darauf hin, dass beim Digitalen Euro eine Programmierbarkeit gegeben sein wird, schon allein um ihn für Finanzinnovationen wie „smart contracts“6 nutzen zu können. Problematisch wird es, wenn Politiker darüber entscheiden können, ob und wie eine Programmierbarkeit genutzt wird7. Dazu weiter unten mehr.



Vorteil 1 des Digitalen Euro: Geldpolitische Unabhängigkeit der EZB


Die verschiedenen Kryptowährungen, die in den letzten Jahren entstanden sind, könnten die gelpolitische Unabhängigkeit der EZB bedrohen. Beispiele hierfür sind Bitcoin, Libra (Kryptowährung von Meta, vormals Facebook) oder Stablecoins (Kryptowährung, die z.B. an den US Dollar gebunden ist). Wenn immer mehr Europäer diese Währungen nutzen, z.B. aufgrund niedrigerer Kosten  oder flexiblerer Einsatzmöglichkeiten, würde es für die EZB schwieriger werden, ihre geldpolitischen Ziele durchzusetzen. Im schlimmsten Fall könnte Europas Geldsystem unter die Kontrolle fremder Interessen geraten, wenn über Stablecoins z.B. der USD oder der Chinesische Yuan an Bedeutung im innereuropäischen Zahlungsverkehr gewinnen.


Die jahrelange Niedrigzinspolitik der EZB reduziert heute die Wirksamkeit der Zinssteuerung und der Inflationsbekämpfung.  Ein programmierbarer Digitaler Euro z.B. mit implizitem Verfallsdatum oder ausgestattet mit negativem Zins  könnte direkt das Ausgabenverhalten der Bürger steuern. Die EZB könnte somit Sparen unattraktiv machen, um Deflation zu verhindern. Auch das Gegenteil wäre möglich, um eine Inflation zu dämpfen. Mit dem programmierbaren Digitalen Euro stünde also ein zusätzliches Steuerungsinstrument bereit, um die jeweilige Geldpolitik umzusetzen.



Vorteil 2 des Digitalen Euro: Finanzinnovationen für Verbraucher


Der Vorteil des Digitalen Geldes für Verbraucher liegt vor allem in der höheren Effizienz beim Zahlungsverkehr: weniger Zeitverzug (unmittelbare Übertragung von Geld ohne Prüfung der Kreditwürdigkeit durch eine Bank); Transaktionskosten nahe Null, Sicherheit (kein Risiko eines Verlustes der privaten Einlagen bei Bankinsolvenz). Aktuell verhindern z.B. hohe Transaktionskosten innovative Geschäftsmodelle, die Micropayments voraussetzen. Freie Journalisten und Youtuber würden hiervor profitieren. Ein anderer Anwendungsfall wären  automatisierte Zahlungen z.B. durch „smart contracts“ wobei  z.B. eine E-Ladesäule und das E-Fahrzeug selbständig den Bezahlvorgang durchführen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie begrüßt solche technischen Möglichkeiten.8



Gefahr 1 des Digitalen Euro: Einschränkung der Anonymität


Das heutige Giralgeld ist dezentral organisiert über hunderte von Banken, Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken Der Digitale Euro wäre über ein zentrales System bei der EZB verwaltet. Somit wäre Finanzdaten von Millionen Europäern bei der EZB bei der EZB gebündelt. Staatliche Institutionen könnten dadurch deutlich einfacher die finanzielle Situation von Wirtschaftsteilnehmern und den Verwendungszweck von Zahlungen überblicken. Bereits beim Giralgeld kommt es zu staatlichen Eingriffen, um unliebsame Akteure vom Zahlungsverkehr abzuschneiden: z.B. die Kontosperrung bei LKW-Fahrern in Kanada, die 2021 gegen Corona-Maßnahmen demonstrierten9. Der Digitale Euro würde solche Eingriffe erleichtern.



Gefahr 2 des Digitalen Euro: Bevormundung  des Bürgers und Einstieg in ein Social Credit System


Als programmierbares Geld bietet der Digitale Euro die technische Möglichkeit, private Zahlungsvorgänge einfach und zentral zu lenken. So könnte der Kauf bestimmter Waren kontrolliert oder rationiert werden. Es wäre technisch machbar, Preise personenabhängig festzulegen, z.B. nach Sozialfaktoren, CO2-Fußabdruck, politischem Wohlverhalten etc. Der Einstieg in ein Social Credit System nach chinesischem Vorbild wäre verführerisch einfach.



Gefahr 3 des Digitalen Euro: Aushebelung von Wettbewerb im Finanzmarkt


Die Umstellung von Giralgeld auf einen Digitalen Euro führt zu einer weitreichenden Einschränkung des Wettbewerbs um die besten Finanzdienstleistungen. Heute besteht eine Kernaufgabe der Banken darin, Finanztransaktionen zügig, günstig und sicher durchzuführen. Die Finanzinstitute müssen mit den besten Dienstleistungen um die Gunst der Kunden wetteifern, um am Markt bestehen zu können. Eine Zentralbank dagegen ist als Behörde keinerlei Konkurrenz oder Wettbewerb unterworfen und ist daher nicht gezwungen, schnell, effizient und kundenorientiert zu handeln.



Fazit: Der Digitale Euro und die Vertrauensfrage


Wiederholt äußern EU-Politiker10 und die EZB11, dass das Euro-Bargeld erhalten bleiben soll und dass der Digitale Euro nur eine Ergänzung zu Bargeld und Giralgeld sein wird. Allerdings zeigt sich, dass 76% der Verbraucher in Deutschland kein großes Interesse an einem Digitalen Euro haben12. In Nigeria, das 2021 ein Digitales Zentralbankgeld eingeführt hat, nutzen nur 0,5% der Verbraucher dieses Geld. Als Reaktion darauf versucht die nigerianische Regierung  die Nutzung mit Repressionen zu erhöhen13.


Ob man in Bezug auf den Digitalen Euro die Chancen höher gewichtet als die Risiken, ist eine Vertrauensfrage. Die EZB schmiedet an einem scharfen Schwert und stellt es den Politikern anheim, über den Einsatz dieses Schwertes zu entscheiden. So sagt EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta:  „Der Digitale Euro wäre niemals programmierbares Geld. […] Es wird an Ihnen als Gesetzgeber liegen, über die Ausgewogenheit zwischen dem Schutz der Privatsphäre und anderen wichtigen politischen Zielen […] zu entscheiden.“ 


Die EZB ist in der Vergangenheit wiederholt von ihrem zentralen Auftrag Geldwertstabilität abgewichen, um andere Ziele – konkret: politische Ziele! - zu verfolgen14. Wie die EZB und der EU glaubhaft machen wollen, dass der Digitale Euro nicht ebenfalls für politische Ziel missbraucht werden würde, bleibt abzuwarten.


Eine freiheitliche Forderung an die Adresse der EZB könnte lauten: Einführung des Digitalen Euro nur bei klarem Vorteil für den Steuerzahler und „privacy by design and by default – not by political decision.“


In eigener Sache:

Falls Sie Interesse an weiteren Informationen rund um das Thema Digitaler Euro, Bitcoin, Kryptowährungen usw. haben, melden Sie sich gerne bei der Fachgruppe Kryptowährung über die App der Atlas Initiative.

    


1 https://www.ecb.europa.eu/paym/digital_euro/html/index.de.html          

2 https://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2023/html/ecb.sp230123~2f8271ed76.de.html

3 https://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2023/html/ecb.sp230123~2f8271ed76.de.html

4 https://www.westernunion.com/staticassets/R22-05.03.0/media/WU_Pricing_List_Germany_DE_Nov2021.pdf          

5 In Europa schützt der Einlagensicherungsfonds Privatguthaben bis €100.000 im Falle einer Bankeninsolvenz. In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland kam es noch nie zu einem bankrun.


6 Ein smart contract ist ein selbstausführender Vertrag, bei dem es automatisch zu einer Auszahlung kommt, wenn die vereinbarte Leistung erbracht wurde. Die Leistungserbringung überprüft ein Algorithmus, eine menschliche Überwachung ist nicht nötig.  
https://weissenberg-group.de/was-sind-smart-contracts/  


7 https://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2023/html/ecb.sp230123~2f8271ed76.en.html  

8 Geld     in programmierbaren Anwendungen –     z.B. Vollautomatische Abrechnung zwischen Maschinen     (Machine-to-machine); Zahlungen im Internet of Things; Automated     Settlement Payments (smart contract), pay-per-use, 24/7-Zahlungen    

9 Kanada:     Notstandsgesetz - Trudeau dreht Trucker-Protesten den Geldhahn zu     (rp-online.de)

10 Kommission     stärkt Euro-Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel und schlägt     digitalen Euro vor (europa.eu)     

11 https://www.ecb.europa.eu/paym/digital_euro/faqs/html/ecb.faq_digital_euro.de.html;     https://www.bundesbank.de/de/presse/interviews/-der-digitale-euro-ist-kein-ersatz-fuer-bargeld--662324          

12 Umfrage:     Deutsche mehrheitlich kritisch gegenüber digitalem Euro eingestellt  | heise online     

13 eNaira:     Nigeria schränkt Bargeld ein, um CBDC zu fördern (btc-echo.de)

14 verbotene     Staatsfinanzierung im Rahmen der Griechenlandrettung mittels OMT;     Vergemeinschaftung von Schulden im Rahmen von Next Generation EU;     die Verknüpfung von Geldpolitik mit Klimapolitik etc.)